Jüdisches Leben in Bebra

Im Jahr 2012 begann man in Bebra intensiver damit, an die Gräueltaten der NS-Diktatur zu erinnern und das Leid, das vor allem jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern zugefügt wurde, sichtbar zu machen. Davor gab es eher vereinzelte Maßnahmen und Projekte der Aufarbeitung und Auseinandersetzung mit diesem dunkelsten Kapitel deutscher Geschichte; jetzt gibt es die Arbeitsgruppe „Jüdisches Leben in Bebra“, die sich dieser Aufgabe angenommen hat und der es besonders wichtig ist, junge Menschen in diese Arbeit miteinzubeziehen.

Seither räumen Stadtgesellschaft, Politik und Verwaltung der Erinnerungsarbeit hohe Aufmerksamkeit ein und versuchen vor allem jungen Menschen die Geschehnisse dieser Zeit nahe zu bringen, auf dass sich diese niemals wiederholen mögen. Diskriminierung, Ausgrenzung, Intoleranz und Rassismus sind untrennbar mit dem Holocaust verbunden und stellen das genaue Gegenteil unserer demokratischen Werte dar. Einen besonderen Stellenwert nimmt daher die Einbindung von Schülerinnen und Schülern in die Erinnerungsarbeit ein.

Vor allem der 7. November als Gedenktag an die Pogrome gegen die jüdische Bevölkerung, die 1938 in Bebra zwei Tage vor den deutschlandweiten Ausschreitungen wüteten, wird jährlich mit unterschiedlichen Veranstaltungen begangen. Auch am Holocaustgedenktag und dem Tag, an dem die letzten MitbürgerInnen jüdischen Glaubens aus Bebra deportiert wurden, finden regelmäßig Gedenkfeiern statt.

Mit der Verlegung von Stolpersteinen und Projekten wie dem Nachbau der abgebrochenen Synagoge wird jüdisches Leben in Bebra wieder sichtbar gemacht. 

Die Arbeitsgemeinschaft Jüdisches Leben trifft sich regelmäßig und ist freut sich über neue Mitglieder und Impulse.

Auf Spurensuche jüdischer Kultur

Layout 1
Layout 2

Die Menschen hinter den Stolpersteinen

Dr. Heinrich Nuhn: ein Leben für die Erinnerung

Wenn heute in Bebra, Rotenburg und den umliegenden Regionen an das Schicksal jüdischer Bürgerinnen und Bürger erinnert wird, wenn Namen, Biografien und Geschichten vor dem Vergessen bewahrt bleiben, dann trägt das in weiten Teilen die Handschrift eines Mannes: Dr. Heinrich Nuhn.

Seit Jahrzehnten widmet sich der Historiker und Pädagoge der akribischen Recherche jüdischer Schicksale. Was als persönliches Interesse begann, ist längst zu einer Lebensleistung geworden. Nuhn hat Archive durchforstet, Gespräche mit Zeitzeugen geführt, Gedenkveranstaltungen initiiert und Bücher sowie zahlreiche Aufsätze veröffentlicht. Seine Arbeit bildet die Grundlage für die Erinnerungskultur in der Region – von Gedenktafeln über Stolperstein-Verlegungen bis hin zu biografischen Texten und Ausstellungen.

Dabei war sein Engagement nicht immer willkommen. In den Anfangsjahren seiner Forschungen stieß der Rotenburger vielerorts auf Ablehnung, Unverständnis und teils offene Anfeindungen, von denen er sich dennoch nie beirren ließ. Er wusste: Erinnern ist nicht nur eine Geste an die Vergangenheit, sondern eine Verantwortung für die Gegenwart und Zukunft.

Seine Hartnäckigkeit und Überzeugung sorgen dafür, dass heute Namen wieder lesbar sind, wo zuvor nur das Vergessen drohte. Viele Nachfahren jüdischer Familien, die einst aus Nordhessen vertrieben und ermordet wurden, fanden durch Nuhns Arbeit erstmals wieder Zugang zu den Geschichten ihrer Vorfahren. Nicht selten weiß Dr. Heinrich Nuhn mehr über die Schicksale dieser Menschen als deren eigene Verwandten – ein Umstand, der zeigt, wie sehr die nationalsozialistische Verfolgung ganze Familiengeschichten ausgelöscht hat und wie wertvoll seine Rekonstruktionsarbeit ist.

Dr. Heinrich Nuhn schenkt der Region damit ein unschätzbares Vermächtnis. Er holt Namen, Gesichter und Geschichten zurück in das kollektive Gedächtnis und zeigt, wie wichtig eine aktive Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte ist. In einer Zeit, in der das Wissen um die NS-Verbrechen langsam verblasst und antisemitische Tendenzen wieder zunehmen, ist seine Arbeit aktueller denn je.

Sein Lebenswerk ist nicht nur ein Dienst an den Opfern, sondern auch ein Mahnmal für die Lebenden: Erinnern heißt Verantwortung übernehmen.